Wenn die Grundschuld bleibt‭ – Warum die Teilungsversteigerung oft scheitert‬

In der Praxis der Teilungsversteigerung treffen rechtliche Theorie und wirtschaftliche Realität zunehmend aufeinander‭. ‬Dabei zeigt sich eine strukturelle Schwäche‭, ‬die sich durch fast alle Verfahren zieht‭ ‬‮–‬‭ ‬und deren Folgen gravierend sind‭: ‬bestehenbleibende Grundschulden‭.‬

‮„‬Diese Grundschulden sind ein juristisches Kunstprodukt‭, ‬das weder den Interessen der Eigentümer noch denen der Kreditwirtschaft‭ ‬dient“‭, ‬sagt Dipl‭.-‬Rechtspfleger‭ (‬FH‭) ‬Johannes Hartenstein‭.

Seit Jahren analysiert er als Fachautor und Referent die Schwachstellen des Systems‭. ‬Seine zentrale These‭: ‬Das Bestehenbleiben von Grundschulden trotz Löschungsreife ist nicht nur unlogisch‭ ‬‮–‬‭ ‬sondern schlicht rechtsfehlerhaft‭.‬

Was das Problem so brisant macht

In vielen Verfahren liegt eine Löschungsbewilligung der Bank vor‭. ‬Dennoch bleibt die Grundschuld im Grundbuch bestehen‭, ‬weil die‭ ‬Zustimmung aller Eigentümer zur Löschung fehlt‭ ‬‮–‬‭ ‬was gerade bei Erbengemeinschaften regelmäßig scheitert‭.

‬‬Die Folge

• Die Grundschuld bleibt im geringsten Gebot enthalten

• Die wird faktisch zum Preisbestandteil

• Die verschleiert das tatsächliche Bargebot

• Die schreckt Bieter ab und macht das Verfahren intransparent

Hartenstein spricht von einem Systemfehler‭ ‬‮–‬‭ ‬denn mit Erteilung des Zuschlags endet das Löschungsrecht der Eigentümer‭. ‬In dem Moment gibt es juristisch niemanden mehr‭, ‬der der Löschung widersprechen kann‭. ‬Eine Zustimmung ist also nicht mehr erforderlich‭ ‬‮–‬‭ ‬wird aber dennoch in der Praxis oft vorausgesetzt‭.

Juristisch falsch‭ ‬‮–‬‭ ‬wirtschaftlich fatal

Die Auswirkungen sind erheblich‭:‬

• Gebotszurückhaltung bei Bietern‭, ‬die die rechtliche Konstruktion nicht durchdringen

• Wertvernichtung durch verschleierte Finanzierungslasten

• Unkontrollierte Absprachen im Saal über Löschungsbewilligungen

• Fehlerhafte Belehrungen durch Gerichte

• Hohe dingliche Zinslasten‭ (‬oft 15–18 ‭%), ‬die faktisch niemals realisiert werden‬

Beispiel für‭ ‬Fachanwälte

Eine Erbengemeinschaft streitet um eine Doppelhaushälfte‭. ‬Eine Grundschuld über 100.000 €‭ ‬besteht im Grundbuch‭ ‬‮–‬‭ ‬das Darlehen ist längst getilgt‭, ‬die Löschungsbewilligung liegt vor‭. ‬Ein Miterbe verweigert aus Prinzip‭ ‬seine Zustimmung zur Löschung‭.‬

Das Gericht berücksichtigt die Grundschuld im geringsten Gebot‭. ‬Das Objekt wird unter Wert versteigert‭. ‬Die Mandanten verlieren‭ ‬zehntausende Euro‭ ‬‮–‬‭ ‬und der‭ ‬beratende Anwalt steht in der Haftungsfrage‭.

Beispiel für‭ ‬Makler

Ein Makler soll ein Mehrfamilienhaus aus einer Erbengemeinschaft vermarkten‭. ‬Da sich die Parteien nicht einigen‭, ‬wird eine Teilungsversteigerung beantragt‭. ‬Im Grundbuch‭: ‬Zwei alte Grundschulden‭, ‬längst abgelöst‭ ‬‮–‬‭ ‬aber formal noch eingetragen‭.‬

Interessenten springen ab‭. ‬Banken verweigern Finanzierungszusagen‭. ‬Die Immobilie bleibt ein Jahr am Markt‭ ‬‮–‬‭ ‬und wird schließlich‭ ‬unter Marktwert versteigert‭.

Was Gerichte tun sollten‭ ‬‮–‬‭ ‬aber oft nicht tun

Hartenstein fordert eine aktive Rolle des Versteigerungsgerichts‭. ‬Es müsse‭:‬

  • Löschungsreife Rechte konsequent aus dem geringsten Gebot entfernen

  • die Beteiligten aufklären‭, ‬statt formal zu schweigen

  • die Grundakten einsehen und Belege aktiv anfordern

  • abweichende Versteigerungsbedingungen anordnen

  • und sich notfalls auf Rechtsfortbildung berufen‭, ‬um die Praxis zu korrigieren

‮„‬Nicht das Gesetz ist falsch‭ ‬‮–‬‭ ‬sondern seine Anwendung“‭, ‬so Hartenstein‭.

Reformbedarf‭? ‬Nicht zwingend‭.‬

Eine gesetzliche Neuregelung sei nicht erforderlich‭, ‬so Hartenstein‭. ‬Die Lösungen liegen im geltenden Recht‭:‬

  • die Notarlösung aus dem Immobilienkauf ist ein Vorbild

  • deckungsbeträge könnten den wahren Marktwert abbilden

  • liegenbelassungsvereinbarungen‭ (‬§ 91‭ ‬Abs‭.‬ 2‭ ‬ZVG‭) ‬könnten gezielt eingesetzt werden

  • digitale Plattformen und eine frühzeitige Maklereinbindung könnten das Verfahren transparenter und marktnäher gestalten‬‬‬

Fazit‭: ‬Es braucht kein neues Gesetz‭ ‬‮–‬‭ ‬sondern Mut zur Anwendung des bestehenden

Teilungsversteigerungen sollen Miteigentum auflösen‭ ‬‮–‬‭ ‬nicht neue Konflikte schaffen‭. ‬Wer als Anwalt oder Makler mit der Materie‭ ‬befasst ist‭, ‬sollte die Risiken‭ ‬‮„‬bestehenbleibender Grundschulden“‭ ‬kennen‭ ‬‮–‬‭ ‬und die bestehenden Gestaltungsspielräume aktiv nutzen‭.‬

Für weitere Auskünfte stehen wir Ihnen wie immer gerne zur Verfügung‭: 📞 ‬02102‭ - ‬711‭ ‬712‭.‬

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